Page 11 - Gehaltvoll 11.3
P. 11

A lles Grübeln, Beten und           Diese Anschuldigungen machten        Rat hätte beistehen können, und
        Nachdenken half nichts. Ich be-     mich wiederum hilflos und ohn-       der Gott nicht kannte, zu dem er
        kam es einfach nicht auf die Rei-   mächtig. So war mein Entschluss,     sich hätte flüchten können), muss-
        he, mit einer bestimmten älteren    mich nicht davon beeinflussen zu     te ich sie trotzdem als nicht richtig
        Kollegin auszukommen, wenn sie      lassen, egal was mit ihr passieren   bewerten.
        krank war. Ich fühlte mich von ihr   würde, im gewissen Sinn ein Be-
        manipuliert und war unsicher, wie   freiungsschlag. „Auch wenn sie       Als ich diese Entscheidung im Ge-
        ich mit ihr umgehen sollte. Dabei   sterben sollte, ich lasse mich nicht   bet zurücknahm und mich Gott
        hatte ich im Grunde genommen        mehr durch dieses Argument be-       anvertraute, dass er mein Schutz
        nichts gegen sie, im Gegenteil, sie   einflussen!“                       sein sollte, und ihn bat, mich zu
        war immer liebevoll und hilfsbereit   Von diesem Tag an fielen Ketten    öffnen für kranke Menschen, fie-
        zu mir gewesen, und wir hatten      von mir ab.                          len die Mauern zwischen mir und
        schon viele gute Kämpfe mitein-                                          meiner Kollegin.
        ander für die Sache Jesu bestanden.  Aber zu welchem Preis? Ich konn-
                                            te seitdem nicht mehr unbelas-       Ich hatte einen so genannten Inne-
        Da dies alles schon Jahre zurück-   tet mit Krankheit umgehen. Ich       ren Schwur aufgespürt - wie er von
        liegt, kann ich mich nicht mehr ge-  machte einen Bogen um kranke        John und Paula Sandford genannt
        nau erinnern, wie mir die Lösung    Menschen, verzichtete dadurch auf    wurde. Ich hatte mich neu ent-
        „geschenkt“ wurde.                  wichtige Erfahrungen der Barm-       schieden und konnte unter diesen
                                            herzigkeit, des  Tröstens und der    Voraussetzungen eine ganz neue
        Auf jeden Fall wurde mir deutlich,   Liebe. Und wenn ich Leidenden       Freiheit in diesem Bereich erleben.
        dass ich, als ich etwa 15 Jahre alt   nicht aus dem Weg gehen konnte,
        war, eine wichtige Entscheidung     wie über 30 Jahre später meiner      In meinem Beispiel ging es nicht
        getroffen hatte. Ich hatte mir ge-  Kollegin, kam ich wieder unter       nur um ein Umdenken, auch nicht
        schworen, mich nie mehr durch       den gleichen Druck wie damals als    nur um eine Neuentscheidung,
        die Krankheiten meiner Mutter       Teenager.                            sondern  um  Umkehr  und  Glau-
        manipulieren zu lassen. Diese                                            ben.
        hatte, wohl hilflos, wie sie mit ih-  Nach Jahrzehnten also erkannte     Anstelle einer eigenmächtigen,
        rem pubertierenden Sohn fertig      ich den Einfluss dieser jugendli-    wenn auch vielleicht verständli-
        werden  sollte, mir  immer  wieder   chen Entscheidung. Auch wenn        chen Handlung galt es Verantwor-
        vorgeworfen, ich sei schuld an ih-  ich sie als kreative Lösung eines    tung vor Gott und den Menschen
        rer Zuckerkrankheit. Wenn ich so    hilflosen Jugendlichen, sich selbst   zu übernehmen.
        weitermachte, würde ich sie noch    zu schützen, verstehen konnte (der
        ins Grab bringen.                   z.B. niemanden hatte, der ihm mit
















                                                                                                                     11
   6   7   8   9   10   11   12   13   14   15   16