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A lles Grübeln, Beten und Diese Anschuldigungen machten Rat hätte beistehen können, und
Nachdenken half nichts. Ich be- mich wiederum hilflos und ohn- der Gott nicht kannte, zu dem er
kam es einfach nicht auf die Rei- mächtig. So war mein Entschluss, sich hätte flüchten können), muss-
he, mit einer bestimmten älteren mich nicht davon beeinflussen zu te ich sie trotzdem als nicht richtig
Kollegin auszukommen, wenn sie lassen, egal was mit ihr passieren bewerten.
krank war. Ich fühlte mich von ihr würde, im gewissen Sinn ein Be-
manipuliert und war unsicher, wie freiungsschlag. „Auch wenn sie Als ich diese Entscheidung im Ge-
ich mit ihr umgehen sollte. Dabei sterben sollte, ich lasse mich nicht bet zurücknahm und mich Gott
hatte ich im Grunde genommen mehr durch dieses Argument be- anvertraute, dass er mein Schutz
nichts gegen sie, im Gegenteil, sie einflussen!“ sein sollte, und ihn bat, mich zu
war immer liebevoll und hilfsbereit Von diesem Tag an fielen Ketten öffnen für kranke Menschen, fie-
zu mir gewesen, und wir hatten von mir ab. len die Mauern zwischen mir und
schon viele gute Kämpfe mitein- meiner Kollegin.
ander für die Sache Jesu bestanden. Aber zu welchem Preis? Ich konn-
te seitdem nicht mehr unbelas- Ich hatte einen so genannten Inne-
Da dies alles schon Jahre zurück- tet mit Krankheit umgehen. Ich ren Schwur aufgespürt - wie er von
liegt, kann ich mich nicht mehr ge- machte einen Bogen um kranke John und Paula Sandford genannt
nau erinnern, wie mir die Lösung Menschen, verzichtete dadurch auf wurde. Ich hatte mich neu ent-
„geschenkt“ wurde. wichtige Erfahrungen der Barm- schieden und konnte unter diesen
herzigkeit, des Tröstens und der Voraussetzungen eine ganz neue
Auf jeden Fall wurde mir deutlich, Liebe. Und wenn ich Leidenden Freiheit in diesem Bereich erleben.
dass ich, als ich etwa 15 Jahre alt nicht aus dem Weg gehen konnte,
war, eine wichtige Entscheidung wie über 30 Jahre später meiner In meinem Beispiel ging es nicht
getroffen hatte. Ich hatte mir ge- Kollegin, kam ich wieder unter nur um ein Umdenken, auch nicht
schworen, mich nie mehr durch den gleichen Druck wie damals als nur um eine Neuentscheidung,
die Krankheiten meiner Mutter Teenager. sondern um Umkehr und Glau-
manipulieren zu lassen. Diese ben.
hatte, wohl hilflos, wie sie mit ih- Nach Jahrzehnten also erkannte Anstelle einer eigenmächtigen,
rem pubertierenden Sohn fertig ich den Einfluss dieser jugendli- wenn auch vielleicht verständli-
werden sollte, mir immer wieder chen Entscheidung. Auch wenn chen Handlung galt es Verantwor-
vorgeworfen, ich sei schuld an ih- ich sie als kreative Lösung eines tung vor Gott und den Menschen
rer Zuckerkrankheit. Wenn ich so hilflosen Jugendlichen, sich selbst zu übernehmen.
weitermachte, würde ich sie noch zu schützen, verstehen konnte (der
ins Grab bringen. z.B. niemanden hatte, der ihm mit
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